„Tee ist einer der Eckpfeiler der Zivilisation“ Großbritanniens, wie George Orwell sehr passend feststellte. Dabei spielt die Auswahl der richtigen Teemischung eine entscheidende Rolle. Und nicht zuletzt auch das passende Gebäck.
Begeben wir uns zunächst auf Weltreise! Dabei muss die Welt nicht gleich in achtzig Tagen wie einst Phileas Fogg bereist werden, aber eine Tasse Tee sollte schon im Gepäck sein. Und genau dazu lädt Tom Parker Bowles die geschätzten Leser*innen ein. Sind diese obendrein noch Teeliebhaber*innen umso besser.
Die Koffer für einen große Reises sind bereits gepackt. Unsere Reise beginnt aber mit einem Ausflug in die Geschichte des Tees. Wie war das noch mit der Boston Tea Party und was hat die Ostindien-Kompanie damit zu tun? Dies und mehr wird mir auf höchst amüsante Art, illustriert von netten kleinen Zeichnungen, vermittelt.
Doch dann geht es endlich los. Von China geht es über Taiwan und Japan nach Indien. Bevor ich erneut nach Asien zurückkehre, mache ich erst einmal einen Abstecher nach Afrika. Und schließlich geht es nach Amerika. Amerika? Jawohl! Denn aus Kolumbien, Argentinien und sogar den USA wird Tee exportiert, z. B. Mate-Tee. Das ist alles höchst aufschlussreich.
Was wäre der vollkommene Teegenuss ohne perfekte Anbaubedingungen und richtige Weiterverarbeitung? Ganz sicher nicht vollkommen. Auch darüber lerne ich viel Neues. Dröger Stoff ist das ganz und gar nicht, zumal ich mir bei dieser Lektion ein Tässchen Darjeeling gönne. Und dann ist auch dieses Kapitel wieder von den famosen Illustrationen von Zebedee Helm untermalt. Ein echter Genuss!
Frühstück und Elf-Uhr-Tee
Genug Theorie! Jetzt gibt es endlich etwas zu essen. Zum Frühstück genieße ich Bagels, Brioches oder Welsh Cakes. Zu Letzteren wird mir ein Royal Blend empfohlen. Eine malzige Assammischung, die bereits 1902 – man höre und staune – zu Ehren King Edwards kreiert wurde. Wahrlich, eine ausgezeichnete Kombination!
Nach dem Frühstück folgt sogleich der Elf-Uhr-Tee. Hier nehme ich zu einer Tasse Tee einen kleinen Keks. „Es gibt keine bessere oder britischere Kombination“, sagt Tom Parker Bowles darüber. Dieser hat keine Mühen gescheut und sich an die harte Arbeit gemacht, das passende Gebäck zu den einzelnen Teesorten auszuwählen.
So werden zu einem „Queen Anne Blend“ Custard Creams gereicht. Zum marokkanischen Minztee hingegen sollen Bourbon Creams, also Schokoladen-Sandwich-Kekse, die idealen Begleiter sein. Die Petit Fours bleiben allerdings der feinen, erfrischenden Teemischung „Fortmason“ vorbehalten. Köstlich!
Lunch
Zum Lunch werden mir Pasteten mit karamellsierten Schalotten und Ziegenkäse sowie Gyoza-Teigtaschen, die mit Spinat und Tofu gefüllt sind, angeboten. Doch mir genügt etwas Kleines. Denn ich muss gestehen, dass ich den leckeren Haferflockenkeksen mit Valrhona-Caramelia-Füllung nicht widerstehen konnte und beim Elf-Uhr-Tee mehr als einmal zugelangt habe.
Deshalb entscheide ich mich jetzt für ein Käsetoast mit weißer Trüffel. Dazu nehme ich einen „Long Jing“. Dieser grüne Tee ist mit seinen Röstaromen nämlich der perfekte Gegenspieler zum reichhaltigen Käse. Eine ausgezeichnete Zusammenstellung! Das möchte ich an dieser Stelle unbedingt anmerken.
Auch wenn ich mittlerweile gut gesättigt bin und nichts gegen ein kleines Schläfchen einzuwenden hätte, wartet dennoch eine weitere Lektion auf mich. Denn jetzt geht es um die richtige Lagerung des Tees und schließlich um dessen Klassifizierung. Oh je, denn das ist wie Vokabellernen. Was war noch mal TGFOP? Und was bitte bedeutet GBOP? Glücklicherweise sind das nur drei Seiten. Und glücklicherweise hatte die Illustratorin keine Mittagspause, als diese Seiten fertiggestellt wurde.
Als ob ich es geahnt hätte, verlocken mich zum Nachmittagstee wieder allerlei Köstlichkeiten. Hinter der Glasscheibe ruft es mir laut zu: „Nimm mich. Ich bin lecker.“, „Ich werde dir am besten schmecken.“ oder „Die beste Wahl bin ich in jedem Fall.“ Das, was mir da zuruft, sind ein appetitlich aussehender Zitronenkuchen, eine raffinierte dreischichtige Haselnusstorte mit Birnen und ein Schichtkuchen mit Matcha.
Doch ich lasse alle drei links liegen. Ich mache meine Wahl von der Teeempfehlung abhängig. Da sagt mir ein kräftiger Oolong-Tee, auch „Oriental Beauty“ genannt, am meisten zu. Dazu gibt es eine Tarte mit Puddingfüllung. Genau mein Geschmack. Merke: Falle nie auf laute Verführer rein.
Vor der Tea Time werde ich noch in die perfekte Zubereitung einer Tasse Tee eingeführt. Und ich lerne einiges über die Wahl der richtigen Kanne. Und damit ist der Nachmittagstee bereits beendet.
In seinem Roman „Portrait einer jungen Dame“ stellt Henry James sehr treffend fest, dass es nichts Angenehmeres gibt als ein Nachmittagstee. Damit spricht er mir aus der Seele. Ich kann mir ebenfalls nicht Schöneres vorstellen. Nur ungern verzichte ich auf meinen Five O’Clock Tea.
Und so lasse ich natürlich auch diese Tea Time nicht ausfallen. Zumal wieder wunderbare Köstlichkeiten auf mich warten. Angeführt von Scones (mit Erdbeermarmelade und Clotted Cream, versteht sich!) folgen kleine Ingwerkuchen mit geschlagener Schokoladenganache, ein Parfait mit Blauschimmelkäse und Portweingelee sowie ganz vorzügliche Scones mit Zucchini und Thymian. Dazu wird ein „Smoky Earl Grey“ gereicht, den ich besonders schätze.
„Wäre es nicht furchtbar, in einem Land zu leben, in dem man keinen Tee trinkt?“
Noel Coward
Fraglos wäre es das! Denn Tee passt wirklich zu jeder Gelegenheit. Sei es ein Picknick, als Durstlöscher, als Begleiter beim Schreiben einer Kochbuch-Rezension oder während einer Krise. Tee passt einfach immer. Mit einem heiter illustrierten Intermezzo über die vielen Gelegenheiten, zu denen Tee getrunken werden kann (und sollte!) wird zur Cocktailstunde übergeleitet.
Cocktail und Dinner
Zu allerlei Knabbereien wie Käsestangen, Pinienkernmakronen oder schottischen Wachteleiern werden wunderbare Tee-Cocktails gereicht. Wie wäre es mit einem „Earl Grey Negroni“? Oder darf es erfrischender Eistee sein? Nein? Dann vielleicht ein „Tribute“, der mit Lapsang Souchong, Whisky, Honig, Zimt und Kakaopulver einen nie da gewesenen Genuss verspricht. Und damit wird das Dinner überaus stilvoll eingeläutet.
Vor dem Dinner ist nach dem Dinner. Oder war es umgekehrt? Egal, die Schlemmerei nimmt heute kein Ende mehr. Denn auch nach einem üppigen Mahl ist eine Tasse Tee perfekt. Die anregenden Assam- und Ceylon-Mischungen werden jetzt von Kräutertee, Rooibos oder einem Sparkling Tea aus dem Haus Fortnum & Mason abgelöst.
Selbstredend werden auch dazu leckere Naschereien angeboten, wie z. B. ein Teekuchen mit getrockneten Früchten, Mince Pies oder Trüffelpralinen. Auch ein Dundee Cake steht auf der Karte. Doch ich lasse alles links liegen. Stattdessen nehme ich ein Tässchen „Spiced Rose Fennel Infusion“. Diese blumige Teemischung, die so herrlich nach Rosen duftet, ist genau das Richtige, um diesen Tag gebührend zu beenden.
Mein Fazit über „Fortnum & Mason: It’s Tea Time“ von Tom Parker Bowles
Ein wunderbares und lehrreiches Buch mit tollen Rezepten, die wunderbar von David Loftus inszeniert wurden. Davon hätte ich gerne mehr gesehen. Viel mehr. Aber immerhin sind es 55 Rezepte, die zum Nachkochen und Nachbacken einladen. Auf den ersten Blick sehen einige so aus, als würde für die Zubereitung ein gewisses Können notwendig sein, wie z. B. für die Black Agate Mousse. Doch das kommt auf den Versuch an.
Mich sprechen eher die Plätzchen und die handfesten Kuchen an. Für das Teller-Ikebana bin ich nicht so zu haben. Bei mir steht der Geschmack an erster Stelle. Und da bin ich mir sicher, dass alle Rezepte vorzüglich munden werden.
Des Weiteren gefällt es mir sehr gut, dass zu den Gerichten immer der passende Tee empfohlen wird. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass der richtige Tee den Geschmack einer Mahlzeit heben kann. Schade oder vielmehr verständlich ist, dass die vorgeschlagenen Teemischungen aus dem Hause Fortnum & Mason sind. Es könnte also schwer (oder teuer) werden, diese auf dem Kontinent zu bekommen. (Muss ich demnächst mal recherchieren)
Wie zuvor bereits mehrfach erwähnt, gefallen mir die kleinen Illustrationen von Zebedee Helm außerordentlich gut. Hier harmonieren Wort- und Bildsprache ausgezeichnet miteinander. Auch wenn sich die theoretischen Ausführungen dröge anhören mögen, so sind sie es ganz und gar nicht. Mit gekonntem Humor hat Tom Parker Bowles es verstanden, aus Fakten kurze, leicht verständliche und unterhaltsame Texte zu machen.
Wirklich, dieses Buch macht Spaß und sollten Teetrinker*innen unbedingt zur Hand haben.
Viele angenehme Teestunden mit diesem sympathischen Kochbuch wünscht
Inga,
die Jahreszeitenköchin
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Verlagsangaben
Fortnum & Mason: It’s Tea Time von Tom Parker Bowles
Christian Verlag
240 Seiten
100 Abbildungen
Hardcover
ISBN: 978-3-95961-596-9
erschienen am 2. Dezember 2022
Bildnachweis
Fotos: Inga Landwehr/Jahreszeitenkueche.de
Buchcover: Christian
Werbung
Ich versichere, dass ich diese Buchbesprechung aus eigener Motivation geschrieben habe. Ich habe das Buch als Rezensionsexemplar beim Verlag angefordert. Es wurde mir kostenfrei zugesandt. Ein Honorar wurde für diese Buchbesprechung weder vereinbart noch gezahlt.
Kochbücher
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