Wenn der Duft von gebackenem Kuchen durchs Haus zieht, stellt sich schnell ein heimeliges Gefühl ein. Manchmal werden dabei Erinnerungen an lange zurückliegende Tage wieder wach. Das ist ein guter Moment, um kurz innezuhalten und diesem flüchtigen Gedanken nachzuhängen. Und sei es auch nur kurz.
Kuchen backen mit Oma
Morgens nach dem Frühstück fragt Oma: „Wollen wir einen Kuchen backen?“
„Auf ja“, freut sich das kleine Mädchen. „Was für einen Kuchen backen wir?“
„Magst du Karottenkuchen mit Walnüssen?“
„Auf fein! Der ist lecker.“
„Na, dann komm. Wir wollen die Zutaten holen“, sagt Oma.
Zuerst gehen die beiden in den Garten, um Karotten aus der Erde zu ziehen. Oma erklärt Ihrer Enkelin, dass immer zuerst die Wurzeln gezogen werden, von denen die Köpfe schon aus der Erde gucken.
„Wenn die Köpfe aus der Erde gucken, werden sie grün und schmecken dann bitter“, erklärt Oma.
„Komm, ich zeige dir das mal“, sagt Oma.
Oma sucht sich eine Wurzel aus und streift mit zwei Fingern die Erde beiseite. Sodann greift sie mit ihr kräftigen Hand das Karottenbüschel, zieht es beherzt aus der Erde und legt es auf Zeitungspapier. Kaum hat Oma eine Wurzel aus der Erde gezogen, greift das kleine Mädchen zur nächsten Wurzeln und zieht daran.
„Uih, Oma, das geht ganz schon schwer.“
„Zieh nur kräftig daran. Das schaffst du schon.“
Als die beiden genug Karotten für ihren Kuchen haben, will das Mädchen wieder ins Haus.
„Wo willst du denn hin?“, tadelt Oma. „Wir brauchen auch noch Walnüsse und Eier.“
Unter dem Walnussbaum liegen viele Walnüsse im Gras. Gemeinsam sammeln sie mit beiden Händen die Walnüsse auf, die der Baum abgeworfen hat.
„Den Rest holt Opa vom Baum“, sagt Oma. „Dann haben wir auch welche für Weihnachten.“
„Und jetzt gehen wir in den Stall. Eier holen.“
Im Hühnerstall
Den Stall mag das kleine Mädchen gar nicht gerne. Dort ist es dunkel und riecht muffig. In den Ecken hat sie auch schon Spinnweben gesehen. Uah, das ist unheimlich!
Als Oma die Tür vom Hühnerstall öffnet, greift sie in die Tasche ihrer Schürze und wirft eine Handvoll Körner in eine Ecke. Laut gackernd laufen die Hühner hinterher und picken die Körner auf.
Jetzt kann können Oma und ihre Enkelin die Eier aus dem Gelege nehmen.
„Wie viele Eier brauchen wir denn?“, fragt das kleine Mädchen.
„Ein guter Kuchen hat immer fünf Eier. Aber wir nehmen gleich ein paar mehr mit. Dann gibt es morgen zum Frühstück gekochte Eier“, antwortet Oma.
Endlich sind die Eier eingesammelt. Bevor sie ins Haus zurückgehen, verschließt Oma die Tür zum Hühnerstall sorgfältig.
In der Waschküche schrubbt Oma die Wurzeln zuerst mit einer harten Bürste und spült sie dann mit Wasser ab. Und jetzt gehen sie endlich in die Küche. Bei Oma ist alles etwas altertümlich. Deshalb gibt es keinen elektrischen Mixer. Oma rührt immer alles mit einem Holzlöffel. Das ist für ihre Enkelin natürlich viel zu anstrengend.
Karotten-Kuchen mit Walnüssen backen
Doch zuerst müssen die Wurzeln gerieben und die Walnüsse geknackt werden. Das kleine Mädchen darf die Wurzeln reiben.
„Müssen die Wurzeln nicht erst geschält werden?“, fragt das Mädchen.
„Nein, das müssen die nicht. Wir haben die ja gut abgeschrubbt und sauber gemacht“, sagt Oma.
„Nun reib mal kräftig, damit der Kuchen bald fertig ist. Aber pass auf, dass du dir nicht die Finger verletzt. Das tut richtig weh“, warnt Oma.
Nach einer Weile fragt die Kleine: „Oma, ist das jetzt genug?“
Oma, die gerade die Walnüsse knackt und mit einem Messer hackt, schaut auf.
„Na, du bist ja schnell. Das sind viel zu viele. Davon machen wird zum Abendbrot Karotten-Salat.“
„Au fein, dein Karottensalat ist immer so lecker!“, freut sich die Kleine.
Und dann ist es endlich so weit. Die Zutaten stehen auf dem Tisch bereit. Der Kuchenteig kann jetzt endlich gerührt werden. Dafür nimmt Oma eine große irdene Schüssel aus dem Schrank. Die Schlüssel klemmt sie sich mit dem linken Arm vor den Bauch. In der rechten Hand hält sie den Holzlöffel. Zuerst verrührt sie die weiche Butter mit dem Zucker. Eine Waage zum Abmessen braucht sie nicht. Die Mengen hat sie im Gefühl. Dann gibt die Kleine ihr zwei Eier, die sie gerade aus dem Nest geholt haben. Schnell verrührt Oma die Eier mit der Butter-Zucker-Mischung.
„Schau mal“, sagt sie zu dem kleinen Mädchen, „Butter, Zucker und Eier sind jetzt ganz cremig. Das sieht gut aus.“
Schnell steckt das Mädchen einen Finger in die Schüssel und leckt den genüsslich ab. Und dann noch mal.
„Hmm, das ist aber lecker.“
„So, nun ist es aber genug! Gib mir mal die Wurzeln“, sagt Oma.
Wurzeln, Walnüsse und Backpulver wandern nach und nach in die Schüssel. Jetzt kommt das Mehl dazu. Oma rührt ganz langsam. Doch es staubt sehr.
„Hihihi, Oma, du bist ja ganz weiß im Gesicht“, freut sich die Kleine.
„Ach je, wir haben die Milch vergessen. Schnell, lauf in die Speisekammer und hol die Milchkanne“, bittet Oma ihre Enkelin.
Als das kleine Mädchen wieder in der Küche ist, sagt Oma: „Gieß mal ein bisschen Milch in die Schüssel.“
Und dann rührt Oma weiter. Jetzt staubt es nicht mehr.
„Schau, jetzt wird ein Teig daraus. Aber der ist noch zu fest. Gieß noch etwas Milch dazu“, sagt Oma.
Während Oma weiter rührt, gießt das Mädchen noch etwas Milch in die Schüssel und schaut gespannt zu, wie aus der festen klumpigen Masse ein feiner Teig wird.
Ab in den Ofen
Oma stellt die schwere Schüssel auf den Tisch und geht zum Ofen. Sie öffnet die Ofenklappe, dreht den Knopf nach rechts und hält ihn gedrückt. Dann reißt sie ein Streichholz an und hält die Flamme an ein kleines Loch im Boden des Backrohrs. Es macht kurz Puff, dann brennt das Gas im Ofen. Mit einem Nicken schließt die Ofenklappe wieder.
„Warum hast du den Ofen schon angemacht? Der Teig ist ja noch gar nicht in der Form“, will die Kleine wissen.
„Der Ofen muss vorheizen, damit der Kuchen sofort ins Warme kommt. Dann backt er besser durch“, erklärt Oma.
„So, nun fetten wir die Backform ein. Dafür brauchen wir noch etwas Butter“, sagt Oma.
Oma nimmt mit zwei Fingern ein kleines Stück Butter und reibt die Form ein. Dann wischt sie sich die Finger an der Schürze ab.
„Und jetzt kommen die Semmelbrösel“, sagt Oma.
„Wofür brauchen wir die?“, will das Mädchen wissen.
„Damit streuen wir die Form aus. Dann löst sich der Kuchen nachher besser aus der Form“, erklärt Oma.
Als die Form fertig ist, füllt Oma den Teig in die Form und schiebt sie schnell ins Backrohr.
„Möchtest du die Form auslecken?“, fragt Oma.
Und ob das Mädchen das will. Mit den Fingern streicht sie die Teigreste aus der Schüssel und leckt sie ab.
„Hmm, Oma, das ist fast das Beste am Kuchenbacken“, sagt das kleine Mädchen.
Rezept: Karotten-Kuchen mit Walnüssen
Zutaten
für 1 Kastenform mit 25 cm Länge (entspricht 10 Stück)
- 150 g Weizenmehl
- 100 g Dinkelmehl
- 110 g Muscovadozucker
- 100 g Butter
- 100 g Karotten
- 100 g Walnüsse
- 60 ml Milch
- 3 TL Zucker
- 2 TL Backpulver
- 2 TL Schwarzkümmelpulver
- 2 Eier
- 1 TL Flohsamen
- Paniermehl
- Butter für die Form
Zubereitung
Zubereitungszeit: 15 Minuten
Backzeit: 60 Minuten
- Karotten reiben, Walnüsse grob hacken
- Butter und Muscovadozucker schaumig schlagen. Eier dazugeben und verquirlen.
- Geriebene Karotten, Walnüsse, Flohsamen und Schwarzkümmelpulver unterrühren.
- Mehl und Backpulver dazugeben und mit etwas Milch zu einem glatten Teig verrühren. Ist der Teig zu schwer, weitere Milch zugeben. „Man verwendet nur so viel Milch (oder Wasser), dass der Teig schwer vom Löffel fällt“ Aus: Dr. Oetker Schulkochbuch, Ausgabe D, 1939, Seite 182
- Eine Kastenform mit Butter einfetten, Semmelbrösel hineingeben und die Form so lange schwenken, bis Boden und Ränder der Form damit vollständig bedeckt sind.
- Teig in die Form füllen und mit dem Zucker bestreuen. Dadurch bekommt der Kuchen eine schöne süße Kruste.
- Bei 200 °C ca. 60 Minuten backen. Vor dem Herausnehmen eine Nadelprobe machen.
Nährwertangaben/Portion
Kohlenhydrate | Eiweiß | Ballaststoffe | Fett |
---|---|---|---|
32 g davon Zucker: 14,3 g | 6,3 g | 1,8 g | 17,2 g |
Das Glukose-Fruktose-Verhältnis beträgt 2,04 : 1.
Meine Praxis-Tipps
- Wenn ich keine Milch im Haus habe, nehme ich Wasser oder Pflanzenmilch. Damit gelingt der Kuchen genauso gut.
- Der Kastenkuchen löst sich besser aus der Form, wenn die vorher mit Paniermehl ausgestreut wird. Wenn du keine hast, kannst du auch Kokosflocken dafür nehmen.
- Anstatt der Zuckerkruste kannst du auch Zuckerguss oder Kuvertüre als Deckschicht machen.
Nach einiger Zeit duftet es in Omas Küche nach frisch gebackenen Kuchen. Doch Oma sagt, dass der Kuchen eine Stunde gebacken werden muss. Kurz vor Ende der Backzeit schiebt sie eine lange Nadel, mit der sie früher mal Socken gestrickt hat, in den Karotten-Kuchen. An der Nadel bleibt kein Teig mehr hängen. Jetzt kann der Kastenkuchen aus dem Backofen. Sogleich stürzt sie den Kuchen auf eine Kuchenplatte und lässt ihn abkühlen.
Als die Enkelin vom Spielen hereinkommt, ruft sie: „Oma, das riecht aber gut! Kann ich schon ein Stück Karotten-Kuchen haben?“
Und weil Oma ihre kleine Enkelin liebt, schneidet sie eine kleine Ecke vom Kuchen ab.
Kuchen backen mit Oma macht immer Spaß.
Gutes Gelingen wünscht
Inga,
die Jahreszeitenköchin
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Hinter den Kulissen
Ob ich das kleine Mädchen bin? Vielleicht.
Geschrieben habe ich diese Geschichte in Gedanken an meine Oma. Kochen habe ich zwar nicht von ihr gelernt, aber manche andere praktische Dinge. Live-Hacks würde man das heute nennen.
Omas altes Schulkochbuch, das sie sich als jung verheiratete Frau gekauft hat, ist in meinem Besitz. Dort schaue ich immer hinein, wenn ich z. B. ein Grundrezept brauche. Die Zutaten für einen Topfkuchen habe ich im Kopf – ja, wir sagen Topfkuchen, auch wenn er in einer Kastenform gebacken wird. Wenn ich aber lange keinen mehr gebacken haben, dann vergewissere ich mich in dem alten Kochbuch gerne noch einmal. Und jedes Mal amüsiere ich mich darüber, dass das Grundrezept für diesen Kuchen in den 1930er-Jahren „Gesundheitskuchen“ genannt wird.
Auf dem Foto sind weitere Dinge, die untrennbar mit meiner Oma verbunden sind, zu sehen. Das Bild mit den Rosen hing immer in der Stube über dem Ofen und die Porzellandose stand in der guten Stube. Benutzt wurde sie nie. Sie passte auch so gar nicht zum Haushalt meiner Oma. Die Legende sagt, dass Oma diese während des Krieges gegen Lebensmittel getauscht hat.
Das Rezept aber ist aus einer spontanen Eingebung entstanden. Oma hat nie einen Karottenkuchen gebacken. Und wenn, dann hätte sie vermutlich Zimt hineingetan. Ich bezweifle sehr, dass sie überhaupt von Schwarzkümmel gehört hat. Ich glaube auch nicht, dass ihr das geschmeckt hätte. Oma war eine schlichte und herzensgute Frau – wat de buur nich kennt, das fret hej nicht.
Dort habe ich oft und immer gerne meine Ferien verbracht. Was wir zum Essen brauchten, wurde aus dem Küchengarten hinter dem Haus geholt. Die Milch kam vom Bauern aus der Nachbarschaft. Für alles andere ist Oma mit dem Fahrrad zum Kaufmann gefahren. Für die Enkelin brachte sie dann eine Tafel Schokolade und für Opa Tabak mit. Aber sonst wurde alles selber gemacht.
Quellen
- Grundrezept für den Rührteig aus: Dr. Oetker Schulkochbuch, Ausgabe D, 1939, Seite 182
- eigenes Rezept
- eigenes Wissen
- eigene Erfahrungen